Montag, 27. Februar 2017

Der erste Gipfel des Erstbesteigers

27.02.2017

Passend zu dieser Reise lese ich gerade die Autobiografie von Edmund Hillary, WER WAGT, GEWINNT. Er hat zusammen mit Sherpa Tenzing Norgay 1953 den Mount Everest bezwungen. Das machte, vor allem ihn, weltberühmt. Später wurde er deshalb von der Queen zum Sir ernannt. Daher, bitte, Sir Edmund Hillary.

Was ich natürlich nicht wusste, ist, dass Hillary bis zu seinem 20. Lebensjahr kaum aus der Gegend von Auckland weggekommen war, wo die Familie eine große Imkerei betrieb. Somit hatte er in seinem Leben auch kaum Schnee gesehen. Im Sommer 1939 machte er seinen ersten richtigen Ausflug mit einem seiner wenigen Freunde, Hillary war ein echter Außenseiter, zum Mount Cook. Die Schnee- und Gletschermassen überwältigten ihn so, dass er ihnen unbedingt näher kommen wollte. Mangels Geld und Ausrüstung, schlossen sich die Kameraden einem Führer an, der sie auf den Mount Ollivier brachte.

"Schwarze Wanderung" auf den Mount Ollivier

Dieser 1933 Meter hohe Mount Ollivier ist heute mein Ziel. Er ist als schwarze Wanderung im Rother verzeichnet, was anstrengend und stellenweise schwer bedeutet. Die Nacht war sternenklar und mit 3 Grad die kälteste, die ich bisher auf der Reise hatte. Von meinem Schlafplatz aus sehe ich wunderbar den Sonnenaufgang, wie er immer mehr der hohen Berggipfel bescheint. Um 7 Uhr hat es erst 5 Grad. Was soll's, ich will raus. Am Wanderparkplatz stehen nur eine handvoll Autos. Ich mache mich schnellstmoeglichst auf den Weg.

Endlich hat die Sonne die umliegenden Gipfel an Höhe überschritten, so dass auch auf mich die ersten wärmenden Strahlen des Tages treffen. Ohhhh, wie schoen! Schon kurze Zeit später wünschte ich mir die 5 Grad vom Morgen zurück. Denn die ersten 90 Minuten des nun steil ansteigenden Weges gilt es, knapp 2000 hohe Stufen zu nehmen. Das lässt bei mir die Schweißproduktion auf Hochtouren laufen. Komisch, ein paar Wanderer überhole ich, die alles anhaben, was man sich denken kann, und trotzdem staubtrocken auf der Stirn sind. Vor allem die Asiaten, die hier sehr zahlreich anzutreffen sind, glänzen in dieser Disziplin.

Als ich die Stufen und somit auch die niedrigen Bäume, die stellenweise Schatten gespendet haben, hinter mir habe, muss erst einmal Sonnenschutz aufgetragen werden. Das geht allerdings nur auf trockener Haut. Eine kleine Rast ist nötig, in der ich Hemd und T Shirt zum Trocknen in die Sonne lege. Immer wieder schweifen meine Gedanken zu Hillary, der damals hier noch keinen Weg vorfand, sondern mit dem Führer durch die Wildnis musste.
Die Mueller Hut, links, mit dem dahinter eher unscheinbaren Mount Ollivier.
In der Annahme, dass das steilste Stück hinter mir liegen würde, ging ich nun einen steilen Hang mit groben Geröll hoch. Oben angekommen, sah ich, dass ein weiterer folgte. Und darauf wiederum ein weiterer. So ging das eine Stunde. Nicht nur, dass das Meer an Schweiß bei mir kein Ende nahm, auch das Meer an Leuten, die zu diesem Gipfel pilgern ohne einen einzigen Schweißtropfen zu vergießen, nahm kein Ende.
Blick vom Gipfel des Mount Olliviers auf Mount Cook und dem unter im liegenden Lake Hooker im Hooker Valley.
Auf dem letzten Grat des unendlich langen steilen Aufstieges haute es mich fast aus den Socken. Die Schnee- und Gletschermassen sind wirklich überwältigend. Andauernd ist tiefes Grollen zu hören. Dann bleiben alle stehen und schauen, ob wohl ein Gletscher kalbt oder eine Lawine abgeht? Zu über 99 Prozent bleibt der Grund für das Grollen im Innern der Gletscher für den Betrachter unsichtbar. Wenn endlich doch einmal etwas sichtbar wird, hat man auf die falsche Stelle geschaut und war natürlich nie schnell genug für ein Foto.

Dann kommt endlich die Mueller Hut in Sicht, die sich nur gute 150 Höhenmeter unterhalb des Gipfels vom Mount Ollivier befindet. Natürlich habe ich damit gerechnet, dass wenigstens auf diesem Gipfel ein Kreuz oder etwas Vergleichbares steht. Weit gefehlt! Von der Hütte gibt es noch nicht einmal einen Weg zum Gipfel, da dieser eigentlich ein riesiger Steinhaufen ist, den der liebe Gott dort, wann auch immer, hingeschmissen hat. So ist die Besteigung des unscheinbaren Gipfels eher eine Kraxelei. Trittsicherheit und Gleichgewicht sind gefragt. Und häufig ist der Einsatz aller vier Extremitäten nötig.

Später sollte ich erfahren, dass gerade das die meisten Asiaten davon abhält, hier hoch zu kommen. Ich mag die Asiaten übrigens sehr, sie grüßen immer so lustig, doch bekleidungstechnisch  stellen sie genau das Gegenteil von mir dar. Von den meisten sieht man wirklich nur die Augen! Oder besser die Sonnenbrille. Alles andere ist bedeckt!
Doch dann steht man plötzlich an der besagten Stelle, die mit nichts gekennzeichnet ist. Einzig an den Leuten, die sich hier versammelt haben und glückselig strahlen, kann man ablesen, dass man das Ziel erreicht hat.

Ich setze mich, öffne meine Augen noch weiter auf, als sie eh schon immer sind. Lasse meinen Blick um 360 Grad wandern und denke an Hillary. Ab diesem Gipfel gab es für ihn kein Halten mehr. Ich stelle mir vor, selbst das erste Mal an dieser Stelle, nun gut, ich bin nun keine 20 mehr, so ein Panorama zu sehen. Kann mich gut in ihn hineinversetzen. Keiner, der sich hier hochgeplagt hat, verweilt nur kurz. Dazu ist der Ausblick zu beeindruckend.
Lake Pukaki

Doch irgendwann geht es selbstverständlich wieder runter. Das Wetter wartet immer noch mit strahlend blauem Himmel und nun, da bergab, mit tollen und angenehmen Temperaturen auf. Dann stehe ich, nach gut einer Stunde, zwischen dem bereits hinter mir liegenden steilen Geröllabstieg und dem Beginn der knapp 2000 Stufen. Ein junges Paar, das mich wegen meiner Bergschuhe für einen Deutschen hält, über 50 Prozent laufen hier mit Turnschuhen herum, bittet mich um einige Auskünfte. Die beiden sind aus Freiburg. Leider erst vor 4 Stunden im Ort angekommen und überhastet losgelaufen.
Church of the good Shepard

Wie weit es noch sei? Ob der anstrengendste Teil bereits hinter ihnen liegen würde? Ob die Hütte bewirtschaftet ist? Das Wasser ist ihnen schon ausgegangen! Er schwitzt fast noch mehr als ich bergauf und hat zudem einen feuerroten Kopf. Es ist 14.30 Uhr. Bis 21.00 Uhr ist es hell. Die beiden können es noch gut schaffen. Ich habe von meinen mitgenommenen 2 Litern Wasser gerade mal knapp einen getrunken. Freudestrahlend nehmen sie meinen noch übrigen Liter Wasser an und bedanken sich überschwenglich. Da die Hütte bewirtschaftet ist, werden sie es nun auf jeden Fall schaffen.

Die Stufen, die bergauf eine Qual waren, stellen sich jetzt als paradiesisch dar. Ruckzug bin ich unten. Leider, außer Gletscherwasser, keine Abkühlmöglichkeit. Ich mache mich gleich an die Weiterfahrt, immer mit den Augen auf die Möglichkeit, ein Bad zu nehmen. Der Lake Pukaki, bekannt durch die Farbe des Wassers im Kontrast zu den weißen Bergen im Hintergrund, bietet zwar klasse Aussichten, jedoch lange keine Moeglichkeit der Erfrischung. Dann endlich doch, und die nutze ich sofort. AAHHHHHHHHH !!!!

Geraldine ist einen Halt wert.

Tolle viktorianische Gebäude sind im Ort verteilt.
Weiter geht es am Lake Tekapo vorbei, wo ein Stop an der berühmten Church of the good Shepard, nicht fehlen darf, dann weiter Richtung Christchurch. Aber die größte Stadt der Südinsel werde ich heute nicht mehr erreichen. Denn in Ashburton endet meine Tagestour.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen